China wird unsere Welt verändern - mit oder ohne uns.
Nachdem ich im Sommer letzten Jahres China, Shanghai und weitere Städte
selbst kennenlernen und entdecken durfte, fasziniert mich die stark
aufstrebende Supermacht. Vieles in China ist anders als in der westlichen Welt,
manches ist ähnlich. Umso interessanter finde ich es, mit dem Buch von Frank
Sieren tiefer in die Entwicklung und Zukunft von China einzutauchen. Der Autor
hat sich durch seine journalistische Arbeit einen Namen gemacht und lebt zudem
seit 1949 in Peking. Seine anderen Bücher kenne ich nicht, von dem Buch
"Zukunft? China!" erhoffe ich mir jedoch tiefe Details in die
Volksrepublik und eine durchaus systemkritische Berichterstattung.
Das Land hat seit 1949 eine lange Reise hinter sich
gebracht. Zwischenzeitlich gab es 700 Millionen Chinesen, die unter
schlechtesten Bedingungen in der Armut gelebt haben. China war lange Zeit die
Weltbank der Welt, ein Staat, der nachmacht, anstatt den Ton vorzugeben. Doch
der Ton hat sich geändert, heute gibt in vielen Bereichen schon China den Ton
an. Und die Melodie der Zukunft wird vermutlich aus China kommen - ob der
Westen will oder nicht.
"Noch immer glaubt der Westen, die Kernkompetenz
zu besitzen, Menschen in anderen Ländern zu sagen, wie sie leben sollen."
S. 21
Und genau das ist ein wichtiger Punkt. Mit Initiativen
wie der neuen Seidenstraße, dem wohl größten Infrastrukturprojekt der Welt mit
dem Ziel, China und Zentralasien mit Europa zu verbinden, versucht China
natürlich auch nicht uneigennützig neue Handelsbeziehungen zu schaffen und zu
fördern. Viele Staaten der EU befürchten zudem, dass China sich finanziell vom
Handel abhängige Vasallen-Staaten schaffen und weiter geostrategische Macht
ausbauen möchte. Doch auch für die EU könnte das Großprojekt wirtschaftlich
interessant werden. Es bleibt interessant, ob die EU sich stärker daran
beteiligen oder weiterhin neue Projekte und Industrien verschlafen wird. Die
Neue Seidenstraße wird kommen - ob mit oder ohne Zustimmung der EU.
"Bleiben wir weiter in einer passiven
Zuschauerrolle und warten ab, wie es weitergeht? Oder definieren wir klar
unsere eigenen Interessen und streben frühzeitig eine strategische
Partnerschaft mit den Chinesen an? Die Frage ist, was können wir dabei
gewinnen, was verlieren? Ist das Risiko, bei diesem Jahrhundertprojekt nicht
dabei zu sein, nicht größer als das zweifellos auch vorhandene Risiko einer
aktiven Teilnahme?" Ehemaliger Siemens Chef Heinrich von Pierer
Auch in Afrika ist China ordentlich am investieren und
ausbauen. Die erste Eisenbahnstrecke von Tansania nach Sambia haben die
Chinesen schon vor 40 Jahren gebaut, was viele Afrikaner heute schätzen
dürften. Kein Land der Welt investiert mehr in China: in den letzten Jahren
alleine 80 Stadien, 200 Schulen, 20 Parlamentsgebäude, rund 6500 km
Eisenbahnschienen, 6000 km Straßen, 70 Kraftwerke sowie Dutzende Flughäfen und
Seehäfen. Gebäude und Infrastrukturen, die Afrika braucht als größter
Wachstumsmarkt der Zukunft. Huawei bildet jährlich 12000 Menschen in Afrika
aus.
"Europa ist gerade dabei, Afrika als
Jahrhundertchance zu verpassen." Gerd Müller, Bundesentwicklungsminister
"Die finanzielle Abhängigkeit Afrikas von China
lädt ebenfalls immer wieder zu maßlosen Übertreibungen ein. Zunächst einmal hat
niemand die afrikanischen Länder gezwungen, Geld von China anzunehmen, und die
Zinsen sind durchaus vernünftig" S. 330
Chinas Engagement in Afrika wird wohl dafür sorgen,
dass Afrika in Zukunft wohl eher mit China als mit Europa oder den USA
kooperieren wird. Zumal manche Länder dem Kontinent nicht gerade freundlich
gegenübertreten. Donald Trump bezeichnete Afrikas Staaten 2017 als
"shithole countries", was einfach nur Entsetzen auslöst.
"Insgesamt betrachtet sind wir überzeugt, dass
Chinas wachsendes Engagement in Afrika sehr positiv für Afrikas
Volkswirtschaften, Regierungen und die Arbeitskräfte ist"
Unternehmensberatung McKinsey
Wenn wir an die Überwachung in China denken, gruselt
es uns. In Peking allein werden täglich 5 000 Jahre Filmmaterial hergestellt.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Material, das sich nutzen
lässt - positiv wie auch negativ. Die Chinesen stört das weniger und auch ich
muss zugeben: Es ist zwar ein stark erdrückendes Gefühl überall von Kameras
überwacht zu werden, aber Nachts alleine extrem sicher durch die Stadt zu
laufen hat schon was. Trotzdem würde ich es mir nicht für Europa wünschen. Auch
Systeme wie Social Scoring, wo Bürger der VR bewertet werden und teilweise
keine Wohnung oder Job bekommen, weil sie ein paar Mal über die rote Ampel
gegangen sind, sehe ich arg kritisch. China geht mit der totalen Überwachung
und seinen Kontrollversuchen einen kruden Weg. Einen, für den man dankbar sein
kann, dass man in der EU in extremer Freiheit leben darf.
Ukraine ist größter Getreidelieferant Chinas. China
investiert enorm in Albanien. Griechenland und Ungarn stehen China positiv.
Afrika bedankt sich für chinesisches Engagement. Russland und Zentralasien
stehen China als Partner an der Seite. Viele Häfen sind in Europa schon halb in
chinesischem Besitz. Die Volksrepublik ist schon jetzt enorm verdrahtet, was im
Hinblick auf die Neue Seidenstraße noch stärker werden dürfte. Zudem ist China
der größte Gläubiger von den USA und immer mehr Chinesische Tech-Firmen
preschen auf den internationalen Markt. Die Welt kann und wird in Zukunft nicht
ohne China können, und China wird sich auch nicht vorschreiben lassen mit
welchem System.
"Die großen Vorzüge der Demokratie erschließt
sich ihnen nicht. Zumal ein Blick nach Europa zeigt, wie gelähmt die
Demokratien dort sind und wie stark die politischen Ränder werde, sprich: wie
instabil dieses als so sicher geltende System geworden ist. Und der Blick nach
Amerika zeigt, dass Wahlen die seltsamsten Rüpel an die Macht spülen
können" S. 13
China. Ein Land, 1,4 Milliarden Menschen und ein
politisches System, das in der westlichen Welt polarisiert. Ich bleibe auch
nach dem Buch dabei, China-fasziniert zu sein. Starke Kultur-, Werte- und
Systemunterschiede führen bei den meisten westlichen Menschen zur Ablehnung.
Die Schattenseiten sind lang. Das Rechtssystem ist intransparent und politisch
kontrolliert. Menschen sitzen im Gefängnis und dürfen keinen Anwalt sehen.
Urteile stehen schon vor dem Prozess fest. Politisch Andersdenkende werden
verfolgt und eingesperrt. Minderheiten wie die Uiguren unterdrückt und
gefoltert. Die Medien sind unfrei.
China dürfte es auch für dessen internationale
Beziehungen und Kooperationsbereitschaften anderer Staaten guttun, wenn es an
der Menschenrechtslage, der Justiz und der freien Meinungsäußerung arbeiten
würde. In der Zukunft werden wir wohl mehr mit China zutun bekommen, als
manchen lieb ist. Der Trend der Machtverlagerung in Richtung Asien ist
unaufhaltbar. China wird mächtiger, die USA wird ohnmächtiger. Wichtig ist,
dass wir als Deutschland und die EU nicht den Anschluss verpassen, sonst sieht
unsere Zukunft dürftig aus.
"Eines unserer Interessen sollte sein, die
Chinesen in der Welt nicht mehr so frei wie bisher ins Spiel kommen zu lassen.
Wir müssen die Herausforderung des globalen Wettbewerbs annehmen. Wir brauchen
eine große europäische Afrika-Initiative und müssen die Neue Seidenstraße mit
unseren Werten und Ideen füllen. Und zwar schnell. Es ist naiv zu glauben, dass
das, was wir für richtig halten, sich schon von selbst durchsetzen wird."
S. 361
Mein Fazit zum Buch ist einfach: Ein
unfassbar spannendes Buch zur chinesischen Entwicklung und Zukunft. Frank
Sieren beschreibt durchaus kritisch, wie der Status Quo aussieht und was sich
in naher Zukunft von China aus verändern wird und wo die Republik hinwill. Wenn
China sich weiter so motiviert entwickelt, kommt eine gigantische chinesische
Welle auf uns zu und es bleibt spannend, wer drauf surft und wen diese völlig
umwirft. 5/5
"Wir müssen lernen, die Perspektive zu wechseln
und die Welt mit den Augen der anderen zu sehen." S 361
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