They have not forgotten it - they have never known anything about it


"The Fat Years" von Chan Koonchung ist mein erster Roman von einem chinesischen Autor und deswegen war ich besonders gespannt wie es mir gefallen würde.

Im Grunde genommen geht es um den Buch zentral um zwei Dinge: Ein Monat ist aus dem Gedächtnis der Menschen ausgelöscht worden und alle Menschen sind plötzlich gespenstisch glücklich und zufrieden. Eine kleine Gruppe an Menschen, die von diesen beiden Ereignissen nicht betroffen sind macht sich auf, um sich Klarheit zu verschaffen. Dabei ist der Roman aus zwei Gründen besonders politisch interessant und weniger fiktiv als zu Anfang gedacht: 

"Thus, they must not allow the outbreak of any collective incidents to disrupt their harmonious society." S. 197

Zum einen versucht die Kommunistische Partei Chinas besonders seit der gewaltsamen Zerschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tian’anmen-Platz 1989 jegliche Aufzeichnungen und Erinnerungen daran zu verbieten und im Geschichtsunterricht werden solche Proteste oder Geschehnisse, die dem Ansehen der KPC schaden könnten, gar nicht gelehrt. Viele Menschen, die solche Aktionen nicht noch selbst miterlebt haben oder sich in westlichen Medien informieren, wissen heutzutage nichts von solchen Massakern. Somit ist die Brisanz des von Chan beschriebenen verschwundenen Monats aktueller denn je, da jegliche negative Vorkommnisse der Vergangenheit im heutigen China auch schlichtweg inexistent sind.

"They have not forgotten it; they have never known anything about it. In theory, after a preiod of time has elapsed, an entire year can indeed disappear from history - because no one says anything about it." S. 239

Zum anderen ist das im Buch beschreibende plötzliche Glücklichsein der Menschheit insofern gruselig, als dass solch eine Utopie auch Ziel der KPC sein könnte. Denn in einem kommunistischen, autokratischen System ist eines besonders wichtig: Soziale Stabilität. Ohne eine breite Zustimmung der Bevölkerung ist es schwierig, in einer so großen und teils unterschiedlichen Republik die Macht zu erhalten und jegliche Proteste, die von negativen Stimmungen in der Bevölkerung aufkommen könnten, strikt zu vermeiden.

"Both Western and Chinese researchers have found that ingesting a small amount of MDMA is not harmful to human health [...], why shouldn't we do it?" S. 290

Dabei ist das Buch in größten Teil nicht nur Roman, der Autor erzählt also nicht nur eine Geschichte. Er vermittelt quasi die ganze chinesische Geschichte aus den letzten Jahrzehnten, was ich besonders spannend fand, da er es aus durchaus kritischer Sicht beäugt. Für manche dürfte das zu viel sein, zumal es wirklich einer Mischung aus Roman, Journalismus und Geschichte gleicht. Stellenweise kam es zu Langatmigkeit. Leser, die bis zum Schluss durchhalten, werden jedoch mit einem für mich sehr lesenswerten Ende belohnt, das kritisch und philosophisch die heutigen Vorhaben der Regierung betrachtet.

Alles in allem wohl kein klassischer Thriller, der einem schlaflose Nächte bereitet - obwohl die Aktualität einen zumindest fürchtend auf die Zukunft Chinas blicken lassen dürfte und eine Vorstellung darüber gibt, zu was die Volksrepublik in Zukunft imstande sein könnte. 3,5/5

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